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Aktuell ist es mal wieder so weit: die Novemberpogrome, und mit ihnen die Reichspogromnacht (von den Nazis gern auch als Reichskristallnacht bezeichnet) jähren sich zum 84ten mal.

In eben dieser Zeit verloren 1938 deutschlandweit über 300 Jüd*innen ihr Leben, ca. 1400 Synagogen, Gebetsstuben und sonstige Kulturräume, eine Vielzahl an Friedhöfen und tausende Geschäfte in jüdischer Hand wurden angegriffen, verwüstet und vernichtet.
Und – vielleicht die schockierendste Zahl: über 30.000 jüdische Mitbürger*innen wurden inhaftiert und später u.a. in KZs – mit deren Horror hoffentlich alle hier zumindestens grundlegend vertraut sind – verlegt.

Auch Regensburg war in diesem Prozess in keinster Weise unschuldig – so wurden hier, zu diesem Datum die Synagoge in Brand gesetzt und durch den Bürgermeister persönlich die Feuerwehr daran gehindert diese zu löschen und die Jüd*innen unserer Stadt inhaftiert, ihre Wohnungen und Geschäfte verwüstet und anschließend in einem "Schmäh-Marsch", spöttisch betitelt "der Auszug der Jüd*innen" durch die Stadt gehetzt um sie anschließend vom Hauptbahnhof aus wie Vieh in LKWs teils in die JVA – teils aber auch einfach direkt ins KZ Dachau zu bringen.

Aber na gut, von der rechten Seite aus hört man dazu ja leider nur zu oft, dass dies zwar schlimm sei, man allerdings die Vergangenheit ruhen lassen solle und im Hier und Jetzt leben solle – den Jüd*innen gehe es doch gut.
Dann schauen wir doch mal ins hier und jetzt: im letzten Jahr gab es über 3000 antisemitische Straftaten hier in Deutschland – also ca. 10 pro Tag!
Das ist an sich bereits eine schockierende Zahl, jedoch erst recht, wenn man bedenkt, dass diese z.B. im Vorjahr noch um knapp 700 niedriger ausfiel… und dass das damals schon eine neue Höchstzahl seit der NS-Zeit war!
Dazu kommen regelrechte Anschläge mit Sprengstoff, Waffen und/oder Brandsätzen wie in Hagen, Halle, Ulm und so, so viele mehr, und wer weiß, wie hoch die Dunkelziffern sind: der OEZ-Anschlag in München von 2016 zum Beispiel, wird erst seit sehr kurzer Zeit auch als antisemitisch bezeichnet und wurde davor immer einfach als "Amoklauf" betitelt.

Fälle wie diese zeigen: der Antisemitismus ist kein "Gespenst vergangener Zeiten", ganz im Gegenteil: er ist noch sehr aktuell und wird jetzt, in diesem Moment auch wieder aktiv wohnzimmertauglicher.

Die Popularität von Mythen über eine "Weltverschwörung" und "Jüd*innen die Kinderblut trinken" werden aktiv durch Coronaleugner*innen propagiert und von rechts aufgegriffen, Holocaust-Relativierungen in dieser Szene schon fast modisch wie durch das stolze zur Schau stellen von Davidsternen um ungeimpfte zu "kennzeichnen" und vergleiche von Einschränkungen dieser mit z.B. der Verfolgung Anne Franks – auch hier, in dieser Stadt durch Gruppen wie "Studenten steh auf" und auf Veranstaltung von Organisationen wie "Gemeinsam in Regensburg" – wo natürlich die AfD, der dritte Weg und die freien Sachsen stolz mitlaufen, und sich sicher fühlen können.

Für uns ist klar: wir brauchen eine Erinnerungspolitik an das NS-Grauen, die nicht von einer regelrechten "Angst vor der Scham" alter, weißer Leute dominiert und behindert wird.

Alleine hier in der Stadt werden Sachen wie die Zusammenarbeit mit den KZs Dachau und Flossenbürg (welches auch mit dem "Colloseum" in Stadt am Hof ein Außenlager hatte), die brutale Gefangenenarbeit in den Messerschmittwerken, der Wertpapierfabrik bei Sinzing und vor allem die desaströsen Zustände um den Bau des unterirdischen Obertraublinger Messerschmittwerks, welcher durch hunderte KZ-Insass*innen geschah oder der vorhin erwähnte Schmäh-Marsch, welcher nicht irgendwo im Nirgendwo, sondern hier, in der Innenstadt stattfand – um nur ein paar Beispiele einer langen Liste zu nennen – kaum thematisiert.
Ganz im Gegenteil: wir haben sogar immer noch eine Straße, die nach Messerschmitt benannt ist!

Wir können das besser und wir MÜSSEN das besser machen.

Wir dürfen den Antisemitismus, welcher leider immer noch zutiefst in unserer Gesellschaft verankert ist nicht dulden, nicht wegschauen, nein: wir müssen ihn aktiv bekämpfen!

Dieser Anspruch sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist er aktuell aber leider beim besten Willen nicht.
Und genau deshalb ist es wichtig, dass wir an Tagen wie diesem den Opfern gedenken, aber auch das Hier und Jetzt nicht aus den Augen verlieren.
Jahr, für Jahr, für Jahr.

Denn wir müssen in jedem Fall selbst die kleinsten Chancen, die eine Wiederholung solcher abscheulichen Gräueltaten andeuten, mit aller Kraft bekämpfen.

Unser Antifaschismus muss konsequent, entschlossen – und vor allem – kämpferisch sein.